(Teil 2)
Ich will nun ein wenig auf die molekularen Grundlagen der fotochromen Systeme eingehen, die bei Brillengläsern Verwendung finden. Die ersten fototropen Brillengläser, die Mitte der 60er Jahre in den Handel kamen, waren mineralische Gläser (Borosilikatgläser), die winzige Silberhalogenid-Partikel in Form von Mischkristallen (Durchmesser 5-30 nm, durchschnittlicher Abstand zwischen den Partikeln ca. 60 nm ) enthielten. Die lichtempfindlichen Silberhalogenide AgX (Silberchlorid AgCl / Silberbromid AgBr / Silberiodid AgI) reagieren analog zum fotografischen Prozess, sobald sie durch energiereiche Photonen hν angeregt werden: die Dunkelfärbung des Glases beruht auf der Bildung von Silberatomen aus Silberionen, die für diese Reduktion benötigten Elektronen (e-) werden durch die primäre Fotooxidation der Halogenid-Anionen geliefert. Formal läuft dies nach den folgenden Gleichungen ab:
Cl- (Br-) + hν —> Cl (Br) + e- und Ag+ + e- —> Ag
Allerdings ist diese Dunkelfärbung nicht stabil, denn sobald die anregende Strahlung ausbleibt, tritt spontan die Rückreaktion zum energieärmeren (stabileren) Ausgangszustand ein unter Aufhellung des Glases: Ag + Cl(Br) —> AgCl (AgBr) Dies ist (im Unterschied zum fotografischen Film) möglich, weil das fotochrome System hier in eine starre (hoch-viskose) Glasmatrix eingebettet ist (und nicht in eine relativ niedrig-viskose Gelatine wie beim Film, wo die entstandenen Partikel wegdiffundieren können). Die vorstehend formulierten reversiblen Redoxreaktionen können beliebig oft ablaufen, ohne dass Ermüdung eintritt.
Die Bildung von elementarem Silber entsprechend der obigen Reaktion wird durch Kupferionen (Cu2+) erleichtert, die als Katalysator wirken; fototrope Glasmischungen enthalten daher auch "katalytische" Mengen an Kupfer(II)-oxid CuO.
Essentiell für das Funktionieren des fototropen Systems sind die o.g. Größenverhältnisse der AgX-Mikrokristalle. Diese werden erst im Verlauf des Produktionsprozesses erzielt, nach dem Schneiden und Pressen durchlaufen die Glaspresslinge einen Kühlofen mit definiertem Temperaturprogramm, wobei nicht nur innere thermische Spannungen im Glas behutsam abgebaut werden, sondern sich auch Zahl und Größe der Silberhalogenidkristalle und damit die fotochromen Eigenschaften (Transmission/Farbe/Reaktionsgeschwindigkeit) einstellen.
Zu vermerken ist noch, dass die Eindunkelung / Aufhellung nicht nur von der Intensität der UV-Strahlung abhängt, sondern auch von der Umgebungstemperatur. Die Dunkelfärbung ist umso stärker und schneller, je höher die Strahlungsintensität und je tiefer die Temperatur ist. Daher erfolgt bei kaltem, aber sonnigen Winterwetter eine stärkere Eindunkelung als bei sommerlicher Wärme.
Den fotochromen Systemen in Kunststoffgläsern widme ich mich im kommenden Teil 3.
Weitere vertiefende Literatur zum Thema werde ich ebenso dort angeben.
Donnerstag, 1. Juli 2010
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